Jürgen Nett bei den „24h of COTA“ – von der Nordschleife in den Wilden Westen

Jürgen Nett bei den „24h of COTA“ – von der Nordschleife in den Wilden Westen

Austin, Texas (USA) – Am Nürburgring ruhen seit Ende Oktober die Motoren, die Strecke wird teilweise neu asphaltiert. Für einige Fahrer aus der Langstreckenszene war damit die Saison noch nicht vorbei – so auch für den Mayener Jürgen Nett. Der frisch gebackene Meister der Klasse SP2T der VLN erhielt ein Angebot vom französischen Team Altran Peugeot, für dieses das 24-Stunden-Rennen auf dem „Circuit of the Americas“ (kurz COTA) zu bestreiten. Das Einsatzfahrzeug stellte dabei keine Unbekannte für Nett dar, handelte es sich dabei doch ebenfalls um einen Peugeot 308 Racing Cup TCR, mit dem er die letzten beiden Jahre am Nürburgring unterwegs war.

„Mit dem Team stehe ich seit meinen Werkseinsätzen für Peugeot im RCZ 2010 in Kontakt – das Team Altran war damals das Einsatzteam“, erklärt Nett. „Die Strecke hat mich gereizt. Sie unterscheidet sich von der Charakteristik von anderen modernen Strecken, erinnert an einigen Stellen an die ‚Ardennen-Achterbahn‘ von Spa-Francorchamps oder auch an das Motodrom in Hockenheim.“

Während die meisten Fahrer erst am Donnerstag vor dem Rennen anreisten, schloss sich der Nett seinen Freunden von Bonk Motorsport, unter deren Bewerbung das Team Eurorepar Autohaus Nett Motorsport seit Jahren in der VLN an den Start geht, an und verbrachte die gesamte Woche vor dem Rennen im „Lone Star State“ Texas. „Wir haben viel unternommen, waren unter anderem bei der NASA in Houston und haben uns ein Spiel der Basketball-Profiliga NBA angeschaut“, blickt Nett auf die Urlaubswoche zurück.

Dann jedoch stand die Arbeit an und Team Altran schlug seine Zelte an der Strecke auf. Eine Strecke die Jürgen Nett zuvor nur virtuell umrundet hatte. „Ich bin auf der Playstation etwa 25 Runden in COTA gefahren, was mir geholfen hat, den Streckenverlauf kennenzulernen. Für alles andere hilft allerdings nur die Fahrt im realen Rennwagen“, so Nett, der augenzwinkernd hinzufügt: „Trotz meiner 51 Jahre war ich der Junior untern den 4 Fahrern, die auf unserer Startnummer 908 gemeldet waren, meine Kollegen sind schon etwas näher an den 60ern dran. Wir waren klar das ‚B-Team‘ neben unseren Kollegen auf der Nummer 308“.

Noch bevor Nett zum ersten Mal im Auto Platz nehmen konnte, hatte der Wagen Feindkontakt, was einen Austausch der Spurstange zur Folge hatte. „Meine ersten zehn Minuten im Auto waren daher nur Installationsrunden“, so Nett. In der zweiten Session hatte er dann freie Fahrt, doch zurück an der Box herrschte erst einmal Ernüchterung im Gemüt des Nordschleifen-Routiniers. „Mir fehlten ca. 2-3 Sekunden pro Runde auf meine Teamkollegen – auf 5,5 Kilometern ist das eine ganze Menge. Meine Analyse ergab: Ich war mental noch zu sehr auf der Nordschleife. Dort ist es wichtiger als irgendwo anders sich auf der Fahrbahn zu bewegen, ringsherum wartet ja die sprichwörtliche ‚Grüne Hölle‘ bzw. die Leitplanke. In Austin ist das anders. Um schnell zu sein, musst du gnadenlos über die Randsteine und die asphaltierten Auslaufzonen rattern. Solange noch ein Rad auf der Strecke ist, ist alles regelkonform.“ Mit dieser neuen Erkenntnis ließ Nett seine Klasse aufblitzen und fuhr die beste Zeit der Startnummer 908. Als Belohnung durfte er das Rennen als Startfahrer angehen.

Noch so eine Besonderheit dieses Rennens: Die 24 Stunden werden anders als zum Beispiel am Nürburgring nicht am Stück gefahren, sondern in zwei Teilen. Grund hierfür ist nicht etwa ein Nachtfahrverbot. Nett: „Es mangelt einfach an Personal. Die wenigen Streckenposten müssten 24 Stunden am Stück arbeiten, was natürlich nicht machbar ist“.  Leider war auch das Zuschaueraufkommen nicht mit dem beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring vergleichbar. Wo in der Eifel Verkehrschaos und überfüllte Campingplätze vorherrschen, fand man in der texanischen Prärie nur spärlich besetzte Zuschauerränge vor.

Somit stand am Samstag, den 17.11.2018, um 10:30 Ortszeit Teil eins des Marathons an, der bis 23 Uhr angesetzt war. „Ab 18 Uhr was es stockdunkel, somit sind wir schon einige Zeit unter nächtlichen Bedingungen gefahren“, gibt Nett zu Protokoll. Ob im hellen oder dunkeln: So ganz konnte sich Jürgen Nett nicht mit der Mentalität des Abkürzens anfreunden. „Obwohl wir hier ein Langstreckenrennen bestreiten, scheint man die Sache wie ein Sprintrennen angehen zu müssen. Im Schnitt verlor ich auf die Konkurrenz eine Sekunde pro Runde, dadurch dass ich die Randsteine nicht bis ultimo überfahren habe.“ Dies war jedoch nur vermeintlich verlorene Zeit. „Als einziger von den insgesamt acht Fahrern in unserem Team blieb ich ohne Reifenschaden, eben weil ich das Material nicht ganz so hart rangenommen hatte“. In der Tat quittierten die Hankook-Einheitsreifen nicht nur beim Peugeot-Team oftmals vorzeitig den Dienst. „Auf einen Stint von ca. 100 Minuten bedeutete jeder Reifenschaden 90 Extrasekunden für einen Boxenstopp. Im Endeffekt war ich auf die Distanz gesehen eben doch schneller“, so Nett.

Am Sonntag erfolgte der Restart bereits um 8:00 Uhr Ortszeit, um die finalen elfeinhalb Stunden des Rennens anzugehen. Die Nettsche Strategie der Konstanz zahlte sich aus. Am Ende erreichte seine Mannschaft den vierten Platz in der Klasse, und war damit dem nominalen A-Team mit der Startnummer 308 zwei Plätze voraus. „Am allermeisten freut mich, dass wir mit dem vierten Platz die ‚Championship of the Continents 2018‘ für das Team Altran Peugeot eingefahren haben. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass Motortsport – insbesondere auf der Langstrecke – eben doch Teamsport ist“, so das Resümee von Nett. –

Text: Andreas Krein
Foto: Petr Fryba